Weite Kreise

Kurze Inhaltsangabe der verarbeiteten Filme
 
 
In Heaven
Die Geschichte dreier junger Leute am Rande einer österreichischen Industriestadt. Ein 17-jähriger sucht seinen Platz im Leben, begegnet einem Mädchen und bittet es, seine Freundin zu sein. Die junge Frau lässt sich darauf ein und träumt dennoch von einem imaginären Glück in weiter Ferne. Sein Freund indes hat das unstete Leben satt. Diese "menage a trois" verläuft ohne Besitzansprüche; die Helden tasten nach Nähe, Geborgenheit, Harmonie. Der undramatische, in einzelnen Momenten wie hingetupft wirkende Film überzeugt durch die Intensität des Spiels und die Genauigkeit der sozialen Hintergründe. Eine Alltagsstudie, die sich unaufdringlich zum philosophischen Gleichnis verdichtet.

La Terra
Ein Mailänder Philosophieprofessor kehrt in seinen Heimatort im süditalienischen Apulien zurück, wo sein Bruder das von den Eltern geerbte Anwesen verkaufen will. Doch schon bald findet er sich in einem Strudel aus Intrigen und familiären Verstrickungen wieder, die weit in die Vergangenheit reichen. Unterhaltsame Mischung aus Krimi-Tragikomödie und lustvoll überzeichneter Farce, die mit dicken Strichen um Themen wie Glaube, Liebe, Hoffnung, Verrat, Familie, Sex und Tod kreist und dabei geschickt die erzählerische Balance findet.

Finale
2006
Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wandelt sich eine attraktive Gelegenheitshostess in Hamburg zum Fußballfan, stürzt sich im allgemeinen Ausnahmezustand in sexuelle Eskapaden und beginnt eine Affäre mit einer Schauspielerin, die ihr an Energie in nichts nachsteht. Äußerst dicht fängt Klaus Lemke in seinem semi-dokumentarischen Liebesfilm die flirrend-aufgeheizte Stimmung des WM-Sommers ein und strickt zugleich weiter am Mythos seiner "toughen" Frauen, mit denen die Männer nicht mithalten können.

Der böhmische Knoten
Dokumentarfilm des aus Liberec Reichenberg stammenden und 1968 aus der CSSR geflüchteten Filmemachers Pavel Schnabel, der in einer Montage aus Stimmen und Stimmungen eine sehr persönlich gehaltene Geschichte der Menschen Böhmens erzählt.

Evolution
Ein Meteorit, der eine organische Substanz auf seiner Oberfläche trägt, schlägt auf der Erde ein. Binnen Stunden entwickelt sich aus Einzellern eine vielgestaltige Fauna, die die Erde zu überwuchern droht. Zwei Biologiedozenten, eine Militärforscherin und zwei Laien retten die Welt, bevor das Militär größeren Schaden anrichten kann.

Kleine Kreise
Ein notorischer Existenzgründer, der sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt, entdeckt gemeinsam mit seinem Sohn während eines Besuchswochenendes die Leidenschaft für den Kartsport, den sie schon bald halbprofessionell ausüben. Obwohl sie zunächst chancenlos dem übrigen Fahrerfeld hinterherfahren, denkt der Vater nicht ans Aufgeben.

Schweigende Zunge
In der Wüstenlandschaft New Mexikos kämpft 1873 ein irischer Pferdehändler um seinen dem Wahnsinn nahen Sohn, der vom Geist seiner verstorbenen Frau, einem indianischen Halbblut, bedroht wird. Ein thematisch wie formal ungewöhnliches, komplexes Drama um Schuld und Sühne, das Motive des Indianerfilms mit einer mythischen Geistergeschichte sowie Themen der klassischen amerikanischen Tragödie und der Shakespearschen Königsdramen verbindet. Schauspielerisch und inszenatorisch eindrucksvoll, verdichtet der Film auf radikal-konsequente Weise alle Elemente zu einer düsteren Reflexion über das Verlorensein der Menschen.

Der Schritt ins Dunkel
Effektvoll verfilmter Hintertreppenroman um Falschmünzer, Erpresser und andere Verbrecher. Sympathieträger der Handlung ist ein Gangster, der sich am Schluß als Detektiv entpuppt.

Melodie und Rhythmus
Ein junger Schlagersänger trennt sich von seinem Vater, macht sich selbständig, akzeptiert ein aufdringliches Mädchen und erhält dafür allgemeinen Beifall. Dürftiges Vehikel für den ersten deutschen "Rocker" Peter Kraus.

Faust
1960
Die berühmte "Faust I"-Inszenierung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg unter der Oberleitung von Gustaf Gründgens. Die Aufzeichnung will keine eigenständige Verfilmung sein, sondert fesselt überwiegend als Bühnenwiedergabe.

2011
Alexander Sokurow verwendet Goethes Stück für eine bildermächtige, sinfonisch strukturierte Reise ins Labyrinth des Verderbens, in der es um die moralische Verkommenheit des Menschen, die Stafette des Bösen und die Einsamkeit der von allen guten Geistern verlassenen Herrscherfiguren geht. Dafür löst er sich konsequent von der Theatervorlage: Der Pathologe Faust ist bei ihm weniger Wahrheitssucher und Seelenerforscher als ein von seiner wahnwitzigen Idee besessener Flaneur. Der atemlose, nur von wenigen Ruhemomenten unterbrochene Film spielt in einer deutschen Kleinstadt des Biedermeier, die zum Ausgangspunkt ewiger Einsamkeit und Verdammnis gerinnt.

Das Schmuckstück
In den 1970er-Jahren muss die Ehefrau eines cholerischen Fabrikanten nach dessen Erkrankung just in dem Moment die Leitung der Firma übernehmen, als die Mitarbeiter wegen ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse auf die Barrikaden gehen. Bald kommt sie selbst auf den Geschmack von Macht und Selbstbestimmung, beweist aber auch Sinn für soziale Gerechtigkeit. Nach der Genesung ihres Mannes weigert sie sich, wieder ins Glied zu treten. Eine lustvoll mit Überspitzungen arbeitende Emanzipationskomödie, gestaltet als liebenswürdige Hommage an "klassische" amerikanische und französische Film-Musicals, die über ihre nostalgischen Qualitäten aber auch durch den auf die Gegenwart abzielenden politischen Biss überzeugt.

Theaterfieber
Eine junge Frau, die unbedingt Schauspielerin werden will, setzt ihren Plan gegen den Widerstand ihrer Eltern durch und geht schließlich - mit deren Einverständnis - nach New York. Gefühlvolle, sich gelegentlich in allzu klischeehaft entwickelten Gefühlsseligkeiten verlierende Verfilmung eines Broadway-Stücks, die das Milieu armer Leute um 1900 zeichnet.

Opernfieber
Ebenso ernsthafte wie amüsante Dokumentation über eine kauzige Gruppe alter Claqueure: Männer, die sich für Geld und Eintrittskarten mit Applaus und Bravo-Rufen bei den Opernsängern "bedanken". Ein weniger kritischer als wehmütiger, dabei stets informativer Blick auf die eigentümliche, gleichwohl traditionsreiche Wechselbeziehung zwischen Fan und Star im italienischen Opernbetrieb.

Junge Adler
Einer der "Erziehungsfilme", die im Krieg die deutsche Jugend zu mehr Vertrauen, Gehorsam, Disziplin und Kameradschaft anzuhalten hatten. Diese Tugenden muß sich hier der dünkelhafte und aufmüpfige Sohn eines Direktors großer Flugzeugwerke aneignen. Als der Junge in seinem Leichtsinn auch noch ein Automobil ramponiert, steckt ihn der Vater kurzerhand zu den Lehrlingen in die Fabrik. In deren Gesellschaft lernt er allmählich, ein Kerl zu werden. Neben Willy Fritsch, der den saloppen Ausbilder spielt, nennt der Vorspann des Films eine Reihe damals weniger, später um so bekannterer Namen wie Weidenmann und Reinecker oder, als "junge Adler", Hardy Krüger und Dietmar Schönherr. NS-Prädikate: "Staatspolitisch wertvoll", "Künstlerisch wertvoll", "Jugendwert". Nach 1945 alliiertes Vorführverbot.

Mit lachendem Auge
Tragikomödie um einen kauzigen Pfiffikus, der seit vielen Jahren in seiner Berghütte im Riesengebirge lebt und die Widrigkeiten des Lebens nach Möglichkeit leicht nimmt. Als er eines Tages der Liebe seines Lebens begegnet, bedeutet das nicht nur Glück für ihn.

Die Farbe der Seele
Nach der Schließung des Krankenhauses nimmt eine Krankenschwester den letzten verbliebenen Patienten, einen schwarzen Soul-Sänger, der an Kehlkopfkrebs leidet, mit zu sich nach Hause, um ihn liebevoll zu pflegen. Sie tut das nicht ganz uneigennützig: Sie möchte ihre Stimme ausbilden lassen und singen lernen. Der Patient wiederum schöpft durch diese Aufgabe neuen Mut. Utopischer Liebesfilm voller Poesie, der von Menschen erzählt, die durch die Magie der Musik zueinander finden und sich mit Gleichgesinnten zusammentun, um nicht nur von einem besseren Leben zu träumen, sondern es auch zu leben.

Anita, Tänze des Lasters
Eine alte Frau beschwört in verklärten Bildern noch einmal ihr bewegtes Leben als große Tänzerin der Stummfilmzeit herauf, ehe sich ihre Vita als bis zum Wahnsinn gesteigerter Wunschtraum entpuppt. Der Film zeichnet liebevoll-ironisch, bisweilen aber auch mit bizarren Mitteln die triviale Formen- und Gefühlswelt der Stummfilmzeit als utopisches Gegenbild zu einer trist normierten Gegenwart. Eine größtenteils eigenwillige und fantasievolle Huldigung an die exaltierte Ästhetik der zwanziger Jahre und an die Unzerstörbarkeit menschlicher Lebenslust und Einbildungskraft.

Die Haut, in der ich wohne
Eine bildhübsche Frau ist die einzige Patientin in einer spanischen Schönheitsklinik, wo sie ihr Chirurg eifersüchtig bewacht. Ihre durch zahllose Operationen perfektionierte Haut ist dabei Schutz wie Gefängnis. Die um groteske Einsprengsel und Figuren ergänzte Adaption eines Kriminalromans, den Pedro Almodovar zu einem souverän verschachtelten Rachethriller erweitert und diesen mit einem hohen Trash-Anteil versieht. Eine kühl inszenierte, vielfach gebrochene Reflexion über Rache und Kreativität, Liebe und sexuelle Identität, in der alle Beziehungen von dunklen Erinnerungen oder obskuren Macht- und Ohnmachtsverhältnissen geprägt sind.

Angst über den Wolken
Eine Flugsicherheitsexpertin ist einem Psychopathen auf der Spur, der für eine Reihe von Flugzeugabstürzen verantwortlich ist. Auf Nervenkitzel zielender Fernseh-Thriller im Fahrwasser üblicher Katastrophenfilme.

Glauben oder nicht glauben
Eine weltumspannende Auseinandersetzung mit dem Glauben, die ihn als Kraftquelle darzustellen versucht, aber auch Fragen nach den Zweifeln an der Amtskirche stellt. Ferner kommt ein französischer Buddhist zu Wort, und auch die Gläubigkeit im Islam sowie im Judentum wird thematisiert.

Tage des Zweifels
Eine Berner Hausfrau übernimmt das Amt einer Laienrichterin in einem Mordprozeß. Im Verlauf des Verfahrens stellt sie Ungereimtheiten fest und entschließt sich zur Eingabe einer Beschwerde an den großen Rat. Der Film orientiert sich frei am Fall Zwahlen und an der Figur der Geschworenen Vreni Salsa, die mit anderen zusammen erwirkt hat, daß der des Mordes an seiner Ehefrau angeklagte und zu lebenslangem Zuchthaus verurteilte Bruno Zwahlen wieder auf freien Fuß gesetzt und ein neuer Prozeß anberaumt wurde. Giger verzichtet auf eine sensationshascherische Ausschlachtung des Falls und konzentriert sich auf die Charakterisierung seiner Hauptperson, auf ihre Befindlichkeit zwischen Pflichtbewußtsein, ethischer Verantwortung und der Suche nach einer neuen emanzipatorischen Identität.